„Zwoa Brettl, a gführiger Schnee, juchhe!“
Der Text des Liedes stammt vom Füssener Skipionier Otto Seidl und spricht allen begeisterten Wintersportlern aus der Seele. Die zahlreichen Lawinenabgänge im heurigen Winter verderben aber die Euphorie und zeigen, dass im freien alpinen Gelände die richtige Einschätzung der Lawinengefahr entscheidend ist.
Das tragische Lawinenunglück bei Lawinenwarnstufe 3 in der Tiroler Wattener Lizum Anfang Februar, bei dem fünf Menschen ums Leben gekommen sind, hat auch bei den Experten wieder die Diskussion über die von den Lawinenwarndiensten regelmäßig verlautbarten fünf Lawinenwarnstufen angeheizt.
Einmal mehr wurde aufgezeigt, dass ausgerechnet die mittlere Gefahrenstufe (Warnstufe 3 = erhebliche Lawinengefahr) der insgesamt fünf Lawinenwarnstufen als die Tückischte gilt. Bei dieser Warnstufe passieren die meisten Unfälle. Leider sehr oft mit tödlichem Ausgang.
Jeder zweite Wintersportler wusste nicht, was die unterschiedlichen Lawinenwarnstufen bedeuten und wie man sich verhalten sollte, zeigt eine Studie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit aus dem Jahr 2015. Eine Skitourenausrüstung samt Notfallset ist zwar rasch im Sportartikelfachhandel eingekauft, doch der Aufenthalt im winterlichen alpinen Gelände erfordert ein hohes Maß an Erfahrung und eine richtige Einschätzung der jeweiligen Lawinensituation.
Rudi Mair, Leiter des Tiroler Lawinenwarndienstes, glaubt an den Trugschluss, dass die heimtückische Lawinenwarnstufe 3 deshalb so oft unterschätzt wird, weil die Warnstufen mit unserem Schulnotensystem verglichen werden: „Als nicht so ganz gut, nicht gar so schlecht“. Als Experte predigt er immer wieder: „Bei Lawinenwarnstufe 3 brauche ich einfach lawinenkundliches Wissen. Jemand, der vom Schnee nur weiß: „Schnee ist weiß, Schnee ist kalt und auf Schnee kann ich Schi fahren, der ist bei Stufe 3 eindeutig überfordert. Er sollte nur bei Warnstufe 1 oder 2 abseits der Piste unterwegs sein.“
Europäische Lawinengefahrenskala
Initiative zur Umbenennung der Lawinenwarnstufen
Mair schlägt vor, die Lawinenwarnstufen umzubenennen. Seiner Meinung nach würde das den Warncharakter erhöhen. Stufe 3 sollte anstatt „erhebliche Lawinengefahr“ zukünftig mit „großer Lawinengefahr“ klassifiziert werden. Stufe 4 würde dann zu „sehr großer“ und Stufe 5 zu „extremer Lawinengefahr“ werden.
Sein Vorschlag wird von den Experten unterschiedlich kommentiert.
Von einer Umbenennung allein hält Michael Larcher, selbst Bergführer, Leiter der Abteilung Bergsport beim Alpenverein und Gerichtssachverständiger für Lawinenunfälle, nicht viel. Er spricht sich eher für eine Aufstockung der Skala auf 6 Warnstufen aus, betont aber gleichzeitig: „Unser derzeitiges System der Europäischen Gefahrenskala für Lawinen mit 5 Warnstufen ist immerhin schon seit 1993 gültig und hat sich im Alpenraum bewährt“.
Verantwortung für Tourenführer und Aufklärung
Laut Experten muss den Wintersportlern klar gemacht werden, dass die Lawinenwarnstufe 3 bereits erheblichen Warncharakter hat. Das derzeitige Warnsystem dient auch als Leitschiene für das öffentliche Katstrophenmanagement: „Bei Lawinenwarnstufe 4 reden wir von Lawinengrößen, die auch Siedlungsgebiete oder Straße gefährden. Und Stufe 5 ist sowieso ein Katastrophenszenario“, meint Mair.
Über die Medien erinnern die alpinen Vereine die Tourenführer immer wieder, ihre Touren je nach Wetterlage sorgfältig zu planen. Neben der entsprechenden Ausrüstung wird viel Erfahrung im Gelände benötigt. Die Ratschläge von lokalen erfahrenen Hüttenwirten können ebenfalls sehr hilfreich sein.
Michael Larcher will auch alles in seiner Macht stehende tun, damit Tourengeher, Schneeschuhwanderer, Freerider und Variantenfahrer entsprechende Ausbildungsmöglichkeiten nützen können und die hohen Sicherheitsstandards immer wieder in Erinnerung rufen.
Auch die Hoteliers und die Seilbahnwirtschaft in den Wintersportorten stehen in der Verantwortung, ihre Gäste auf die Gefahren der weißen Verlockung aufmerksam zu machen.
Auf einen gführigen Schnee!